Junge britische Kunst

Michael Jackson

Cocktails and Rashes

Wortfetzen — Mitgelauscht und Mitgedacht bei der Vernissage

 

A: Ist das eigentlich Kunst?

B: Was haben die Queen und ein deutsche Fernsehmoderatorin, ein Gemälde von Gainsborough und eine Szene aus Star Trek, ein rosa Hase, eine Torte aus dem Filmklassiker "Das große Fressen" und eine Frau im Bikini, die von Wölfen angefallen wird, gemeinsam?

C: Keine Ahnung.

B: Dies ist eine zunächst ja auch nicht ganz einfach zu beantwortende Frage, zumal die "unbeholfene", "dilettantische" Malweise bereits unweigerlich zu der Schlüsselaussage für die Kunst der letzten 100 Jahre führt...

D: Was?

B: .. der Schlüsselaussage für die Kunst der letzten 100 Jahre führt: "Das hätten meine Kinder / Enkel / Nichten auch / besser gekonnt!" Dies ist sehr wahrscheinlich richtig — auch wenn einige Bilder ein gar nicht kindliches technisches Können verraten — und wahrscheinlich kennt der Nachwuchs zudem all diese Motive, denn sie sind dem unerschöpflichen Bildreservoir der Gegenwart entnommen. Jahrzehnte nachdem Walter Benjamin das "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" thematisierte und Marshall McLuhan den Einfluss der Medien auf die Herausbildung des "global village" beschrieb, ist jenseits des ausufernden theoretischen Diskurses die ständige Verfügbarkeit und Gleichrangigkeit aller Bilder längst zur Tatsache geworden. Bilder von Prominenten in Zeitschriften, Spielfilme, Reportagen über Katastrophen oder Gemälde — sie alle sind letztlich immer und überall verfügbar, Konsumgut.

C: (Nickt zustimmend.)

B: Künstler haben auf diese Entwicklung schon früh mit einem "Rollenwechsel" vom "Produzenten zum Konsumenten" reagiert. Offenbar ging es dabei nicht mehr um die klassischen Kriterien Erfindung, Komposition und perfekte Ausführung; seit Duchamp lässt der Künstler arbeiten, sind Auswahl und Positionierung alltäglicher Produkte und Bilder zu wichtigen Teilen der künstlerischen Strategie geworden.

A: (Sieht sich um.)

B: Die Pop Art, die zugleich Affirmation und Kritik an der Konsumgesellschaft war, bediente sich der Ästhetik und Mechanismen des Marketing um die Ikonen der Konsumwelt — von der Suppendose bis zu Marilyn Monroe — zum Bildmotiv zu machen. Hierbei wurden viele Künstler selbst zu extrovertierten "Superstars" — die verheißungsvolle Formel lautet "Der Künstler wird bei der Vernissage anwesend sein". Die rigorose, tabufreie Selbstvermarktung thematisierten in den 80er Jahren Künstler wie Jeff Koons oder Martin Kippenberger aus ironischer Distanz.

A, C: (Nippen gelangweilt an einem Glas Mineralwasser.)

B: Auf diese lange Traditionsreihe rekurriert dieser britische Künstler, der tatsächlich Michael Jackson heißt. Er stellt neben Abbildungen von Torten, attraktiven Frauen, fremden Welten und einer idyllischen britischen Landpartie in der Kutsche solche, auf denen er selbst zu sehen ist: auf einem tätschelt er ein Pferd, auf einem anderen verwandelt er sich in James Bond. Eine reich mit Pailletten verzierte Jacke im Stil von Elvis und Las Vegas Shows, die gemalt und als vom Künstler gefertigtes Objekt in der Ausstellung präsent ist, unterstreicht die Oberflächlichkeit und Rollenhaftigkeit des Themenkomplexes: die Inszenierung macht den Star.

A: (Stellt leeres Glas beiseite.)

B: Mit seiner scheinbar naiv-kindlichen, grellbunten Darstellung von Objekten und Rollenbildern der persönlichen Begierde agiert Michael Jackson als Stellvertreter des Betrachters im Sinne Groys', visualisiert Konsum- und Rollenwünsche — der ideale Konsument bleibt immer Kind, bleibt offen, begierig und entdeckt unkritisch die Wunderwelt der Waren und Medien. Zugleich greift er mit seiner schlampigen, dilettantischen Malweise eine Tendenz auf, die ihren Ausgangspunkt am Beginn der 80er Jahre hat: "Wilde Malerei" und "Bad Painting" sind die Schlüsselbegriffe für eine "Rückkehr zur Leinwand", ...

C: Das ist doch nicht Bad Painting, oder?

E: Gestern als ich beim Döner fressen war habe ich die Katerina gesagt wie viel besser es ist über Kunst zu reden und einfach zu denken wenn du einen vollen Teller Nahrung vor dir hast. Das Sprichwort auf Englisch "Food for thought" macht jetzt mehr Sinn.

B: ... die gekennzeichnet war durch Subjektivität in Malweise und Themenwahl. Zitate aus dem Alltag und der Kunstwelt, aus aktuellem Geschehen und Zeitgeschichte wurden zu provokativen, "schlecht gemalten" Bildern verbunden. In Michael Jacksons Bildern sind die tropfende, "hingeschmierte" Farbe, die ausgefransten Kanten im Kontext der Bildmotive zu sehen. Ob Bild der Queen, Gainsborough oder Star Trek — alles ist heute billiges, beliebig verfügbares Konsumgut.

E: Grundsätzlich funktioniert Mutter Natur immer so. Frag halt jeder Mann wie viel einfacher es ist, sich zu konsentrieren nach masturbieren, sex oder fressen.

A: Aber ist es nun Kunst?

D: Ich versuche nicht, Malerei zu kritisieren und absichtlich auf eine niedriges Niveau runter zu bringen. Vielleicht versucht er ja ganz ohne Ironie sein Bestes. Ich glaube, Männer sind viel zu primitiv, richtig konzeptuell zu sein. Besonders in Frühling.

E: Ich glaube das mann muss nicht unbedingt über Kunst reden, um heraus zufinden wo der Künstler hier kommt und wieso er macht was er macht, sondern eine Gute tratschen Stunde soll eigentlich reichen.

B: Insgesamt gesehen weisen die Bilder Michael Jacksons eine stimmige Kongruenz von Thema, Motivwahl und Technik auf. Jenseits aller kunst- und kulturhistorischen Bezüge aber vermitteln sie auch eine ungeheuere Freude an der Malerei — und dies ist sicher nicht das unwichtigste Beurteilungskriterium für Kunst.

E: Mit meinem Ami Schwul Freund sprechen wir lieber über wie viel großer Bayerische Schwänze sind als Amerikanische, als wie schön er oder scheiße ....

A: Eigentlich war es ja eine einfache Ja-Nein-Frage.

(exeunt.)

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